Die Sternkarten von Albrecht Dürer von 1515
- Die beiden Bilder gehörten schon bei den Griechen eng zusammen. Allerdings wurde der Wolf (Lupus) als Fera beschrieben, und somit als nicht näher spezifiziertes wildes Tier. Auf den Karten von 1435 und 1503 findet sich bereits die erst in neuerer Zeit entstandene Bezeichnung Lupus, Dürer kehrt dagegen zum wilden Tier (Fera) zurück.
- Vergleicht man die Karten von 1435, 1503 und 1515, fällt auf, dass Dürer den Tragriemen am Rücken aus der Karte von 1503 übernahm, bezüglich des Kopfes und der Haltung der Vorderfüße griff er aber auf die Darstellung von 1435 zurück.
Centaur 1435 |
Centaur 1503 |
Schild und Lanze:
Erklärungsbedürftig ist das Schild, das auf dem rechten Arm des Zentauren liegt. Bei Aratus heißt es bezüglich den beiden Bildern:
Und er sieht immer aus wie einer, der die Rechte ausstreckt vor dem runden Rauchaltar; im Griff hält er fest gequetscht ein anderes, erlegtes Tier in der Hand; so nämlich haben es die Altvorderen benannt.
Ptolemäus beschrieb den ersten Stern dieser Konstellation als den "am Ende des Hinterfußes bei der Hand des Zentauren". Beim Zentauren selbst erwähnt er den Wolf nicht, sondern spricht nur von dem Stern "am Ende der rechten Hand". Dafür sind die Sterne acht bis elf die vier des "Thyrsosstabes", ein Zeichen für die Anhänger des Dionysoskultes, den in der Antike auch die Zentauren trugen. Er ist ein langer, oft mit Binden oder Weinlaub umwundener Stab, der an der Spitze einen Knauf aus Efeu oder Weinlaub trug, in späterer Zeit finden sich hier Pinienzapfen.
As-Sufi hielt sich bei seiner Darstellung eng an die Vorgaben von Aratus und Ptolemäus: Die rechte Hand des Zentauren hält die Hinterläufe des Raubtiers fest umschlossen. Entgegen den Gesetzen der Schwerkraft ist der Leib des Tieres trotzdem aufgerichtet. In der linken Hand hält der Zentaur einen Stab oder einen Zweig, bei dem am Ende Pinienzapfen zu sehen sind. As-Sufi soll ihn in Unkenntnis der griechischen Mythologie, aber auch entgegen seiner eigenen Darstellung als Weinrebe bezeichnet haben.
- Abd ar-Rahman as-Sufi: Liber locis stellarum fixarum, 964 [Seite von Felice Stoppa]
- Zahlreiche weitere Darstellungen finden sich auf den Seiten des Warburg-Instituts
Ein späterer arabischer Astronom fand allerdings in einer alten Ptolemäusübersetzung wie auf einem Himmelsglobus statt des Stabes eine Lanze, "was ihm wegen des erlegten Tieres und des nahen Opferaltars wahrscheinlicher vorkommt." Womit die Lanze eingeführt war, die mit griechischer Mythologie nichts zu tun hat, aber sich auf den Karten von 1435, 1503 und 1515 findet.
Centaur 1515 |
Zu dieser Lanze passen aber die vier Sterne nicht, die bei Ptolemäus den Thyrsosstab bilden. Auf der Karte von 1435 hat der Zentaur den Rachen des Tieres mit seiner Lanze durchstoßen. Die rechte Hand hält die Lanze vorne, unmittelbar in der Nähe befinden sich die Hinterläufe des Wolfes, wobei aber nicht zu erkennen ist, ob sie vom Zentauren gehalten werden. Völlig unmotiviert liegt auf dem rechten Oberarm ein Schild, auf dem die vier dem Thyrsosstab zugeschriebenen Sterne zu sehen sind.
Durchaus vergleichbar ist die Darstellung von 1503, nur dass das Schild fast wie eine Tasche aussieht, die an einem Riemen hängt, den der Zentaur um die Schultern trägt. In der Münchner Version der Südkarte von Dürer ist beim Zentaur kein Riemen zu sehen, in der endgültigen Version von 1515 ist der Schulterriemen – versehen mit einer Schnalle – wieder zu sehen, dessen Funktion aber nicht klar erkennbar ist — möglicherweise stützt er die Lanze mit ab. Bezüglich den vier Sternen des Thyrsosstabes ist er eher zur Darstellung von 1435 zurückgekehrt: Unmotiviert und ohne erkennbare Funktion liegt auf dem rechten Oberarm wieder ein Schild.
Stern Nummer 37:
1435 |
1503 |
1515 |
Im Sternkatalog von Ptolemäus wird der Stern Nummer 37 beschrieben als "der außerhalb unter dem rechten Hinterfuß", wobei bei der Lagebezeichnung "unter" zu berücksichtigen ist, dass der Zentaur auf dem Kopf steht. Ungefähr so ist der Stern in der Karte von 1435 auch abgebildet. 1503 findet er sich aber am Oberschenkel des rechten Hinterfußes. Auch Dürer zeichnet ihn am rechten Hinterfuß ein, wozu er aber in Kauf nehmen muss, dass der Fuß zu dick gerät.
Links:
- Zahlreiche weitere Darstellungen des Zentauren, hauptsächlich aus Manuskripten, finden Sie auf den Seiten des Warburg Instituts.
Literatur:
- Strohmaier, Gotthard: Die Sterne des Abd ar-Rahman as-Sufi. Hanau, Main: Müller & Kiepenheuer1984, S. 100f.
- Voss, W.: Eine Himmelskarte vom Jahre 1503 mit den Wahrzeichen des Wiener Poetenkollegiums als Vorlage Albrecht Dürers. Jahrbuch der Preußischen Kunstsammlungen 64 (1943), S. 89-150, hier S. 110
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